Was ist das Gewissen eigentlich und wofür ist es nützlich?

In Familienaufstellungen offenbaren sich Wahrheiten durch erlebte Realitäten – durch das, was wir in unserem Leben konkret wahrnehmen. Das Gewissen spielt eine entscheidende Rolle in unserem Erleben: Wir kennen alle die positive und weite Wirkung eines guten Gewissens sowie das einengende Gefühl eines schlechten Gewissens. Aber was ist das Gewissen eigentlich und wofür ist es nützlich? In Familienaufstellungen können wir viel über dieses Phänomen erfahren.

Krankheit und Lebenskrisen deuten darauf hin, dass eine Person nicht mehr in Ordnung ist. Familienaufstellungen können dazu beitragen, indem sie einen neuen Blick auf komplexe Situationen ermöglichen und eine Veränderung in der inneren Haltung bewirken. Der Maßstab dafür, ob sich jemand in Ordnung befindet und mit seinen Mitmenschen, der Welt und dem Universum verbunden ist, ist das Gewissen.

Drei Ebenen des Gewissens im Konflikt
Bert Hellinger hat das Konzept der Familienaufstellungen weiterentwickelt und grundlegende Ordnungen beschrieben, deren Einhaltung ein gesundes Leben begünstigt. Er unterscheidet drei Ebenen des Gewissens: 1) persönliches Gewissen, 2) kollektives Gewissen und 3) Metagewissen. Manchmal stehen diese drei Ebenen im Widerspruch zueinander.

Zum Beispiel kann das persönliche Gewissen im Konflikt mit dem kollektiven Gewissen stehen, wenn ein heranwachsendes Kind spürt, dass es an der Zeit ist, das Elternhaus zu verlassen, aber gleichzeitig eine Bindung zu den Eltern fühlt, von denen es viel erhalten hat oder zwischen denen es vermitteln musste. Dadurch können Schuldgefühle und familiäre Schwierigkeiten entstehen, die in Familienaufstellungen gelöst werden können.

1) Persönliches Gewissen

Sorgt für Gleichgewicht in Beziehungen. Unser persönliches Gewissen ist mit der Familie oder Gruppe verbunden, der wir angehören. Es dient dem Gleichgewicht in Beziehungen und erfüllt drei Bedürfnisse: Ordnung, Bindung und Ausgleich von Geben und Nehmen. Jeder Mensch spürt es bewusst.

Wir erleben es als Schuldgefühl, wenn wir gegen die Regeln unserer Gruppe verstoßen, und als Gefühl der Unschuld, wenn wir uns an dieses Wertesystem halten. Jede Familie und jedes soziale System – sei es ein Unternehmen oder ein Sportverein – hat eigene Regeln für „richtiges“ Verhalten.

Wer dagegen verstößt, riskiert seine Zugehörigkeit zur Gemeinschaft. In der Familie schließen wir auch Menschen aus, deren Schicksal vergessen wird: Abgetriebene Kinder, früh Verstorbene, kriminelle Verwandte oder Großeltern, die Hitler gedient haben, werden in der familiären Vorstellung oft ausgelassen.

2) Kollektives Gewissen

Sorgt für Zugehörigkeit und Ordnung. Alle, die eine Familie nicht achtet, können jedoch auf belastende Weise weiterhin auf das System einwirken – über das kollektive Gewissen. Dieses Gruppengewissen spüren wir nicht bewusst. Es verbindet alle Mitglieder eines Systems und schließt Lebende und Verstorbene ein.

Das kollektive Gewissen basiert auf zwei grundlegenden Ordnungen, die in jeder Gruppe gelten: Erstens hat jedes Mitglied das gleiche Recht auf Zugehörigkeit. Niemand darf ausgeschlossen werden, unabhängig von seinem Verhalten. Zweitens haben ältere Mitglieder Vorrang vor jüngeren. Eltern haben also Vorrang vor Kindern, ältere Geschwister vor jüngeren. In Familiensystemen funktioniert es manchmal anders, sodass die zweite Partnerschaft und Familie Vorrang vor der ersten haben. Dadurch findet jeder seinen Platz in der Gruppe.

Wenn diese Ordnungen gestört werden, wirkt das kollektive Gewissen als Instanz, um sie wiederherzustellen. Schließt die Familie beispielsweise jemanden aus, sorgt das kollektive Gewissen oft dafür, dass diese Person wieder ins System zurückkehrt. Manchmal übernimmt ein anderes Familienmitglied – vielleicht erst Generationen später – unbewusst das Schicksal dieser Person, um einen Ausgleich herzustellen. In Familienaufstellungen werden die leidvollen Folgen für die Betroffenen sichtbar: berufliches oder privates Scheitern, schwere Krankheit, Kriminalität oder Selbstmord.

3) Metagewissen

Geht über persönliches und kollektives Gewissen hinaus. Das Metagewissen übersteigt die beiden anderen Ebenen: Wer durch persönliche Reifeprozesse im Einklang mit dieser großen Seele lebt, wird nicht mehr vom persönlichen oder kollektiven Gewissen getrieben, sondern richtet sein Leben nach einem größeren Ganzen aus.

Lösung durch Familienaufstellungen

Das Ziel von Familienaufstellungen ist es, gestörte Ordnungen aufzudecken und ein leichteres Leben zu ermöglichen. Sie wirken vor allem auf der Ebene des kollektiven Gewissens. Oft geht es darum, dass Menschen einen unbewussten Auftrag erfüllen: Sie versuchen, an etwas oder jemanden zu erinnern oder etwas mitzutragen, was im Gewissen eines anderen Familienmitglieds liegt. In Familienaufstellungen werden solche Verstrickungen sichtbar und verständlich. Probleme, Krankheiten und Krisen, die Menschen zu Familienaufstellungen führen, erweisen sich dabei als hilfreiche Wegweiser.

Als Leiterin von Familienaufstellungen in Flensburg und Berlin unterstütze ich meine Klienten dabei, ihr Familienbild zu ordnen oder zu ergänzen und die Ordnungen des Gewissens respektvoll wiederherzustellen. Auf diese Weise können sie sich von belastenden Bindungen lösen und frei werden für neue Wege und persönlichen Erfolg.

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